Die Bedeutung:
Die Schlange wird traditionell gerne fast ausschließlich als Verführung gelesen, bzw. als eine Person (üblicherweise eine Frau - Überraschung!), die auf die eine oder andere Weise bösartig ist oder "älter". Meine eigene Interpretation der Schlange schließt diese traditionelle Deutung zwar nicht aus, geht aber weit darüber hinaus und hat eine ganz andere, viel positivere Grundfärbung. Für mich geht es bei der Schlange ganz wesentlich um Begehren, Zielstrebigkeitund Eigenwille.
Begehren / Verlangen: Die Schlange steht zuallererst für Verlangen, Begierde, auch Gelüste. Sie kann bedeuten, dass wir etwas oder jemanden begehren, dass wir etwas erreichen oder erlangen wollen, nach etwas streben. Das Objekt unseres Verlangens kann dabei alles mögliche sein. Allerdings haben Menschen besonders häufig ein Verlangen nach Macht, Sex, oder Wissen. Deshalb sind sexuelle Begierde, Machthunger und Wissensdurst explizite Bedeutungen dieser Karte.
Nach etwas zu streben kann sowohl positiv als auch negativ sein. Manche Verlangen zu folgen macht Spaß bzw. ist sogar gesund. Andere Verlangen halten wir besser fest im Zaum, weil es anderen oder uns selbst schaden würde, wenn wir sie auslebten. So kann die Schlange zum Beispiel positiv für beiderseitig gewünschte leidenschaftliche Verführung stehen, aber auch negativ für sexuelle Nötigung oder Sucht. Die Schlange kann für Führungsbereitschaft stehen, für die Fähigkeit, die eigene Macht einzusetzen, wenn es angemessen ist. Sie kann aber auch für Machtmissbrauch stehen, vor allem in der Form von Manipulation. Die Schlange kann für den Wunsch stehen, Wissen zu erlangen, um damit gutes zu tun. Manchmal steht sie aber auch für das Erlangen von Wissen auf das man kein Recht hatte oder auf eine Weise, die moralisch falsch ist - etwa durch Spionage. Wenn die Schlange also in einer Legung auftaucht, muss man sich sehr genau den Kontext ansehen um zu wissen, ob das Verlangen, für das sie steht, eine gute Sache ist oder nicht.
Ambition / Movitavtion / Zielstrebigkeit: Eng mit Begehren verbunden ist Ambition. Auch sie gehört zu den Bedeutungen der Schlange, so wie auch Motivation und, bezogen auf unser Berufsleben, unsere Karriere. Manchmal kann die Schlange als der Vorschlag gelesen werden, dass wir nach etwas streben sollten, auf etwas abzielen sollten. Sie kann für starken Richtungssinn stehen, für das Hingezogenwerden zu etwas, oder für eine Person, die genau weiß, was sie will. Die Schlange repräsntiert Zielstrebigkeit, Bestimmtheit. Sie steht für Situationen oder Prozesse, in denen wir viel Tatkraft brauchen um unser Ziel zu erreichen, in denen wir uns nicht ablenken, nicht vom Weg abbringen lassen dürfen. Manchmal sagt sie uns, dass wir nicht aufgeben sollen, durchalten sollen. Von einem negativen Blickwinkel kann man die Schlange allerdings als Warnung davor lesen, andere Menschen nur noch durch kalkulierend zu betrachten. Sie warnt uns vor Rücksichtslosigkeit; vor Personen, die ihre eigene Großmutter verkaufen würden, wenn das nötig wäre, um ihr Ziel zu erreichen.
Selbstermächtigung / Eigensinn / Selbstsucht: Eine weitere Bedeutungsdimension der Schlange hat mit Eigensinn und Selbstermächtigung zu tun.
Die Schlange repräsentiert Menschen, die hartnäckig ihr Ziel verfolgen, auch (oder ganz besonders) wenn ihr Umfeld ihnen das schwer macht. Sie repräsentiert Menschen, die sich eigenwillig sind, unzähmbar. In anderen Worten: Für mich ist die Schlange die Karte der Selbstermächtigung. Sie ist die Karte, die uns nahelegt, es uns zu erlauben unseren Begierden nachzugehen, oder unserer wahren Berufung zu folgen. Von diesem Blickwinkel aus ist sie eine sehr positive Karte. Allerdings kann starker Eigensinn, der nicht von einer gehörigen Dosis Empathie und Mitgefühl begleitet ist, auch schnell zu Selbstsucht und rücksichtslosem Verhalten führen. Das führt uns dann auch zu der traditionellen "falschen Schlange", zu einer Person, die sich nichts dabei denkt, anderen Schaden zuzufügen, wenn es ihr selbst nützt.
Scharfsinn / Diplomatie / Manipulation: Gebräuchliche Deutungen der Schlange inkludieren Gerissenheit. Gerissenheit kann man vielleicht als eine Art der Intelligenz definieren, bei der sich praktische Fähigkeiten, Scharfsinn und Täuschungswille in unterschiedlichen Mischverhältnissen verbinden. Tradionelle Deutungen betonen den Täuschungswillen, die Falschheit. Dann steht die Schlange für eigennütziges Manipulieren. Ich persönlich betone mehr die praktischen Fähigkeiten und den Scharfsinn. Sie steht dann für die Fähigkeit, andere Menschen in eine gute Richtung zu lenken, für Diplomatie - nicht für böswilligs, eigennütziges Manipulieren. Neutral betrachtet repräsentiert die Schlange Situationen, die großes Taktgefühl erfordern, große Vertrautheit mit den Komplexitäten von zwischenmenschlicher Kommunikation und Zusammenhandeln. Sie steht für eine Person, die scharfsinnig ist: eine Person, die die Intelligenz und kreative Geistesgegenwart hat, ihre Handlungen rasch und angemessen so an ihr Umfeld anzupassen, dass sie ihr Ziel erreichen kann.
Das Bild:
In vielen Kulturen repräsentiert die Schlange mystische Kräfte, Heilung und Weisheit - manchmal werden sie sogar als heilig verehrt. In unserer westlichen Kultur hat sie aber enen sehr schlechten Stand. Oft wird sie als unheimlich oder ekelig angesehen, oder sogar als böse. In meiner Darstellung der Schlange versuchte ich, das positivere Verständnis zu betonen. Meine Schlange ist nicht giftig, aber eine hervorragende Jägerin - sie ähnelt vage einer Äskulapnatter, die auch als Symbol für Ärzte und Aphotheken Verwendung findet. Und sie schlängelt sich einen Baum hinauf auf Granatäpfel zu. Granatäpfel symbolisieren traditionell viele Dinge, die alle gut zu meiner Deutung der Schlange passen: Sexualität, Sinnlichkeit, aber auch Macht und spirituelle Kraft. In meiner Karte bewegt sich also die Schlange beharrlich auf Macht und Sinnlichkeit zu - sie will diese besitzen!
Erwähnenswert ist auch, dass meiner Ansicht nach eine inhaltiche Verbindung zwischen den Karten Schlange und Weg(e) besteht. In gewisser Hinsicht stehen sie einander nämlich genau gegenüber. Deshalb beschloss ich, auch darstellerisch Anknüpfpunkte zwischen den beiden Karten herzustellen.
Wie Sie sehen können, wächst der Granatapfelbaum der Schlange in der selben Landschaft, die von den Wegen durchzogen wird.
Während die Schlange für Zielstrebigkeit steht, bedeuten die Wege Zögern, Ambivalenzen. Während die Schlange eigensinniges Begehren repräsentiert, stehen die Wege für Situationen, in denen wir eben noch nicht genau wissen, was wir wollen. Deshalb wachsen in der Wegekarte blaue Kornblumen - jemand ist noch am Denken, Abwägen, in der Schlangekarte aber roter Mohn - jemand ist leidenschaftlich motiviert, zu handeln.
